Der Fisch stinkt vom Kopfe her

Kommentar zum DFL Konzept „Sicheres Stadionerlebnis“

Im aktuellen Infoblättsche haben wir einen Kommentar zum Textstück „Sicheres Stadionerlebnis“ der DFL abgedruckt. Zur besseren Übersicht übernehmen wir diesen zusätzlich auch auf unsere Homepage:

Als Fußballfan ist man so einiges gewohnt. Die Gängelung der Polizei bei Ankunft in der Stadt, wo der Verein des Herzens diesmal spielt, penible Kontrollen am Stadioneingang, hier und da wird man mal in einen Container gewunken, in dem man sich nochmals einer gesonderten Durchsuchung unterziehen darf. Mal bekommt man beim Auswärtsspiel alle Fanutensilien erlaubt, anderswo werden Fahnen als Privilegien angesehen und kurzerhand verboten, häufig ohne Begründung.

Zuletzt war in den Medien immer wieder von einer „neuen Stufe der Eskalation“ zu lesen und zu hören. Klar, das muss man sich eingestehen, der Einsatz von Pyrotechnik nahm zu und hier und da hat man es in der Saison 2010/2011 vielleicht auch etwas übertrieben. Doch was man unter einer „neuen Stufe der Eskalation“ wirklich verstehen darf, zeigt ein internes Papier der DFL auf, welches vor einigen Tagen den Weg ins Internet fand. In einem 33 Seiten starken Pamphlet mit dem Titel „Sicheres Stadionerlebnis“ sollen weitere Schritte „zur Umsetzung der Ergebnisse der Sicherheitskonferenz in Berlin und der Innenministerkonferenz“ erläutert werden. Gegenüber Vertretern von Fangruppen wurde zwar immer wieder geäußert, dass die Sicherheitskonferenz nur zur Beruhigung der Politik galt, nun soll aber tatsächlich auf diesen populistischen Äußerungen aufgebaut werden.

Die „Task Force Sicherheit“ beruht auf sechs Handlungsfeldern: Verhaltenskodex, Stadionverbote, Prävention, Fan-Privilegien, Kontrollsysteme und Sportgerichtsbarkeit. Wem nun Böses schwant, liegt leider im Recht. Denn hinter diesen Handlungsfeldern verbergen sich weitere Restriktionen, Verbote und Einschränkungen.
Im Abschnitt „Grundsätzliche Ausrichtung“ gibt es erste Kostproben der Logik der DFL:
„Der Ligaverband & die Clubs müssen ihrer Verantwortung sowohl in Bereichen der eigenen Zuständigkeiten, als auch im Zusammenspiel mit Sicherheitsträgern, der Politik und unter Aufrechterhaltung und Intensivierung des Dialogs mit den Fans gerecht werden.“

Wie dieser Dialog mit den Fans aussieht, zeigt sich schon bei diesem Konzept, über welches auf der DFL-Mitgliederversammlung am 12.12.2012 abgestimmt werden soll: Über die Köpfe der Fans hinweg entscheiden, sie vor fertige Maßnahmen setzen – Friss oder Stirb!

Ordner, Sicherheitsbeauftragte und sogar der Stadionsprecher – alle sollen mit auf die Auswärtsspiele reisen. Auch die Fans?

Die Gästeclubs sollen noch stärker in die Auswärtsspiele involviert werden, sodass neben der Fanbetreuung in Zukunft auch die Ordner der Vereine die Fans begleiten sollen. Was heute also schon teilweise der Fall ist, soll in Zukunft zum Standard werden. Hinzu kommt noch der Sicherheitsbeauftragte – der Gästeblock wird zum Sicherheitsrisiko erklärt und muss strengstens kontrolliert und abgeriegelt werden. Die Spitze des Eisberges wird aber erst im darauffolgenden Abschnitt erreicht:

„Wenn andere Maßnahmen nicht zu der Lösung der Problematik führen [was man unter „der Problematik“ zu verstehen hat, wird im ganzen Schreiben nicht näher erläutert], sollen weitere Handlungsmöglichkeiten wie die Verbesserung der infrastrukturellen Möglichkeiten für eine angemessene Personen-Körperkontrolle in den notwendigen Stadionsektoren (z.B. Errichtung von Containern statt wie z.T. bisher Zelte) zur Verfügung stehen, um etwaige Vollkontrollen zügig und ohne unverhältnismäßigen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte durchzuführen.

Eine erschreckende Passage: Wenn „das Problem“, welches wie gesagt weder definiert noch erklärt wird, nicht behoben werden kann, kommen Container an die Eingänge. Wie dort „Vollkontrollen“ ohne einen „unverhältnismäßigen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte“ stattfinden sollen, erklärt sich mir nicht. Genauso wenig, inwiefern solche Maßnahmen rechtlich haltbar sind. Doch eins ist gewiss: Die DFL will sich mit schwammigen Formulierungen alle Türen bei der Behandlung von Fußballfans offenhalten. Nur gemeinsam können, nein müssen wir das verhindern!

Football is for you and me… no, it seems to be for the fucking industry!

Eine weitere Maßnahme, die in dem Pamphlet genannt wird, ist eine Vereinbarung zwischen Fans und Verein. Kodex nennt man so etwas heute und ist nichts anderes als eine Selbstverpflichtung. Moment, eine aufgezwungene Selbstverpflichtung? Ganz richtig: Die DFL will die Vereine und die Fans dazu zwingen, gemeinsam einen Kodex zu erarbeiten. Oh Entschuldigung, ganz vergessen, dass mit den Fans ja gar nichts gemeinsam erarbeitet wird. Wäre bei einem Kodex ja auch sehr realitätsfern. Mein Fehler! Denn von der DFL werden schon drei Mindestvorgaben genannt, die zwingend einzubringen sind:

– Bekenntnis zu Gewaltfreiheit / Gewaltverzicht
– Anerkennung der geltenden Vorschriften (z.B. gesetzliche Grundlagen, wie Versammlungsstätten VO, sowie DFB-Sicherheitsrichtlinien und Stadionordnung) u.a. im Hinblick auf das Verbot von pyrotechnischen Gegenständen
– Bekenntnis gegen Diskriminierung und Rassismus

Punkt drei wird als solcher heute schon von vielen Fanszenen klar nach außen getragen. Doch die Punkte eins und zwei zeigen abermals auf, wie realitätsfremd von „dort oben“ hinab dirigiert wird. Fußballfans sollen sich als Musterbürger erklären, die DFL stellt ihre eigenen Gesetze auf, hebt Pyrotechnik auf eine Stufe mit Gewalt oder Rassismus und erklärt sich kurzerhand selbst zum Staat im Staat. Gerichte, Richter, Staatsanwälte? Brauchen wir nicht – denn hier regiert die DFL!
Ein Bekenntnis zu Stehplätzen ist nicht verpflichtend, selbige werden auch als „kein „unveränderbarer Besitzstand““ bezeichnet und können von „Störern/Problemfans“ gefährdet werden. Der Stehplatz als Fanprivileg, wieso auch nicht. Eine Erklärung, inwiefern Stehplätze in einem Zusammenhang mit Ausschreitungen stehen, wird wohl nie kommen. Denn diesen Zusammenhang gibt es auch nicht, oder werden Sitzplätze abgeschafft, wenn es in Zukunft zu vermehrten Ausschreitungen und dem Abbrennen von Pyrotechnik auf Sitzplätzen kommt?
Was denen blüht, die diesen Wahnsinn nicht mitmachen wollen, ist auch schon geregelt: Keine Eintrittskarten für den jeweiligen Fanclub, Verbot für das Mitführen von Bannern. Abermals werden Fanutensilien als Privilegien behandelt, die Sippenhaft fröhlich fortgeführt. So, als würde man seinen Führerschein verlieren, wenn jemand einem ohne eigenes Verschulden ins Auto fährt. Man war ja schließlich in einen Verkehrsunfall verwickelt.

Überhaupt: Zaunfahnen hängen schon seit vielen Jahrzehnten in deutschen Fußballstadien, bevor es eine DFL gab. Und ihr wollt uns das nun verbieten, beziehungsweise es darstellen, als wärt ihr diejenigen gewesen, die sich erbarmt haben, dass wir Fans mit unseren Fahnen die wunderhübschen Zäune, Betonwände und Werbebanden überdecken dürfen und man uns das jetzt ja verbieten kann, wenn wir uns nicht alles gefallen lassen? Is’ klar…

Des Weiteren sollen auch Spruchbänder mit grob beleidigendem Inhalt verboten werden. Was man unter „grob beleidigend“ zu verstehen hat, wird wohl von Fall zu Fall entschieden, also ein Art Lotterie, ob ein „Fußballmafia DFB“ schon mehrere Personen für drei (oder bald fünf) Jahre vors Stadion verbannen kann.
Und weil man die Schwerverbrecher, die ihre Meinung (mehr oder weniger gesittet) kundgeben, auch dingfest machen will, wird kurzerhand noch die Videoüberwachung ausgebaut und bauliche Veränderungen (z.B. Erweiterung der Zaunanlagen) am Gästeblock vorgenommen. Weil das noch nicht genug Sippenhaft ist, wird auch weiter an der Vergabe der Gästekarten geschraubt. So sollen zum Beispiel (nach Strafen des DFB) nur noch 5% statt 10% der Karten an den Gast gegeben werden, nur Sitzplätze abgegeben werden oder das Gästekontingent noch weiter eingeschränkt werden. Nochmals: Hier sollen Kollektivstrafen, vorbei an jeder Rechtsstaatlichkeit, legitimiert werden, unter anderem auch mit der Stimme des 1.FC Kaiserslautern.

„Le foot c’est nous!“ („Der Fußball sind wir!“ – fiktive Aussage von DFB- und DFL-Funktionären)

Auf der vorletzten Seite werden dann Forderungen an Dritte gestellt. Direkt der erste Punkt ist eine zum Himmel schreiende Doppelmoral: „Mögliche Forderungen an den Gesetzgeber: Anpassung des Sprengstoffgesetzes im Hinblick auf Pyrotechnik“
Hört, hört! Das Sprengstoffgesetzt soll, so hätte es die DFL scheinbar gerne, im Hinblick auf Pyrotechnik „angepasst“ werden. Wieder mal nimmt es sich die DFL heraus, Richter zu spielen und zu entscheiden, was für Gesetze in diesem Staat geändert werden müssen. Die DFL vertritt die 36 Fußballvereine der 1. und 2. Bundesliga, also <1%, die „kleine Gruppe“, die Minderheit, im Hinblick auf ca. 27.000 Fußballvereine in Deutschland. Wie schon FCK-Pressechef Gruber in der „Allgemeinen Zeitung“ richtig erkannte: „Es kann nicht sein, dass eine kleine Gruppe – auch wenn sie [im Stadion] die aktivste ist –, bestimmt, in welche Richtung es geht.“

Die Forderung in Sachen Pyrotechnik hat nochmal eine ganz spezielle Note: Was ist unter „Anpassung“ zu verstehen? Wohl kaum eine Legalisierung, beziehungsweise etwas in diese Richtung, denn Pyrotechnik hat laut den Funktionären in Fußballstadien nichts verloren und ist ja verboten. Man erinnere sich nur an den einseitigen Gesprächsabbruch vom DFB bei dem bis dahin konstruktiven Austausch über Pyrotechnik in Fußballstadien. Aber wieso wird eine Anpassung gefordert, wenn die Initiative doch damals mit Verweis auf die rechtliche Lage abgeschmettert wurde? Wieder einmal versäumt man es, sich Fehler einzugestehen, stattdessen soll dieses Feuer endgültig erstickt werden. Das vom DFB in Auftrag gegebene Gutachten, wonach (Aussage DFB) ein Abbrennen von Pyrotechnik in Fußballstadien nicht möglich ist, wird (trotz mehrfacher Anfragen) bis heute unter Verschluss gehalten. Auf Seiten von DFB und DFL nennt man so etwas übrigens Dialog.

Das Ende schlägt dem Fass den Boden aus – welches Fass? Da ist keins mehr!

Doch nicht genug der Forderungen, denn so sollen zukünftig „Auskünfte über Stand von polizeilichen Ermittlungen gegen Tatverdächtige“ („mehr Transparenz“) der DFL zukommen. Auf das Verständnis der DFL von einem Rechtstaat bin ich ja weiter vorne schon eingegangen, neben der (wie immer) ungelösten Frage nach dem Sinn, bleiben auch starke Zweifel, inwiefern es rechtens ist, dass Ermittlungsunterlagen der Polizei und der Staatsanwaltschaft an einen privaten Verband gereicht werden (etwa um die Personen mit einem Stadionverbot selbst zu sanktionieren, bevor der Staat seiner Pflicht nachkommt und Recht spricht?). Auch wird die „Mitteilung von Identitätsfeststellungen durch die Polizei“ gefordert. Identitätsfeststellung können von der Polizei schon zur „Gefahrenabwehr“ durchgeführt werden. Ihr fahrt mit euren Freunden nach Berlin auf das Auswärtsspiel, trefft euch mit anderen FCK-Fans in einer Kneipe und macht euch auf den Weg zum Stadion. Da ihr ca. 15 Personen seid und erkennbar die Farben des 1.FCK nach außen tragt, wird die Polizei auf euch aufmerksam. Sie kommen auf euch zu und stellen eure Personalien fest, da ihr eine Gefahr darstellt, ihr seid ja schließlich Fußballfans! Und die DFL möchte nun diese Daten haben. Natürlich stellt sich wieder die Frage nach dem „Wozu?“ und wieder bleibt diese Frage ungeklärt. Dass die DFL dann die „konsequente Durchsetzung des Gewaltmonopols des Staates“ fordert ist blanker Hohn. Zahlreiche Maßnahmen zur Selbstjustiz werden gefordert, um dann auf das Gewaltmonopol des Staates zu setzen. Das bedarf wohl keiner weiteren Erläuterung!

Nun liegt es an uns allen – es geht ums Ganze! Wem gehört der Fußball? Wer wird morgen noch im Stadion stehen und wer wird auch noch da sein, wenn der Geldbrunnen mal nicht mehr so sprudelt. Soll das langweilige 0:0 mit aufmunterndem Applaus der Mannschaft gegenüber oder mit dem Werfen von Popkorntüten beendet werden?
Gemeinsam mit dem FCK müssen wir das Weiterdrehen der Spirale beenden, diese ganze Diskussion, die schon seit Monaten fernab der Realität und Fakten stattfindet, darf so nicht weitergehen. Wie das geht, zeigt wieder einmal Union Berlin: http://www.fc-union-berlin.de/verein/aktuelle-meldungen/details/Positionierung-des-Praesidiums-und-der-aktiven-Fanszene-des-1-FC-Union-Berlin-e-V-zum-Konzeptpapier-Sicheres-Stadionerlebnis–513e/
Das DFL Papier ist keinesfalls auch nur eine Diskussionsgrundlage und muss abgelehnt werden!
Informiert euren Nebenmann, reicht das Infoblättsche nach dem Lesen weiter, klärt eure Bekannten auf, die immer noch glauben, dass in den Stadien nur noch Asoziale sind. Gemeinsam für Kaiserslautern – gemeinsam für den Fußball!

(Nachzulesen ist das DFL Konzept hier: https://dl.dropbox.com/s/b0tekb3hz5o7rqf/Kommission%20Sicherheit_Mitgliederversammlung_27%2009%202012.pdf?dl=1 )